Zeit-Ignoranz bringt Patienten in Gefahr

Erfinder der Urheimischen Zeit: Pharmaforscher produzieren wertlose Forschungsergebnisse

Erfinder der Urheimischen Zeit: Pharmaforscher produzieren wertlose Forschungsergebnisse
An Uhrzeit gebundene Arzneimittel-Verordnungen werden zum Lotteriespiel

„Sie wissen nicht, was sie tun“, sagt Dr. Georgios Pandalis. „Weil sie nicht wissen, wann sie es tun.“ Er meint die Pharmaforscher, die testen, zu welcher Tageszeit Medikamente am besten wirken. Deren Studien sind wertlos, urteilt der promovierte Biologe Dr. Pandalis. Grund: Die Zeitangaben der Forscher geben nicht die wahre Zeit an, zu der die Versuchspersonen die Mittel bekamen. Die wahre Zeit, von Dr. Pandalis Urheimische Zeit genannt, ist die Sonnenzeit am Standort des Patienten-Bettes. Die Forscher kennen sie nicht. Den Schaden hat der Patient.

„Die Geburtsminute und der Tod eines Menschen werden präzise notiert“, sagt Dr. Pandalis – weil das juristische Folgen hat, unter anderem für die Erbfolge. Aber wenn er ein Medikament verabreicht, schaut ein Arzt höchstens auf seine Armbanduhr. „Und damit liest er die falsche Zeit ab“, moniert der promovierte Biologe Dr. Pandalis, der selbst lange in der Pharmaindustrie tätig war. Die Armbanduhr und die Uhren in den Computern zeigen die amtliche Normalzeit. Für biologische Rhythmen aber ist eine andere Zeit ausschlaggebend. Das Funktionieren der Körperorgane, des Stoffwechsels und des steuernden Nervensystems ist abhängig von einer ganz anderen Zeit. Dr. Pandalis nennt sie „Urheimische Zeit“, weil es die Zeit ist, mit der wir Menschen und unsere Vorfahren seit vielen Jahrtausenden so vertraut sind wie alle Wesen – vom kleinsten Bakterium bis zum Großvieh im Stall. Er fragt: „Was sind all die vielen Forschungen der Medizininstitute und der Pharmaindustrie wert, wenn sie alle eine falsche Zeit zur Basis nehmen?“ Seine Antwort: „Sie sind wertlos, ihre Folgen gefährlich.“

Anlass für die Mahnungen gibt es zweifach: die zwangsweise Umstellung auf die Winterzeit am Sonntag und den Nobelpreis für drei Chronobiologen, deren Ergebnisse eine Mahnung zu mehr Zeithygiene im Kleinen wie im Großen ist. (Chronobiologie kommt von Chronos, dem griech. Zeitgott und Bios für Leben).

Urheimische Zeit ist nach der Definition von Dr. Pandalis die dem Sonnenstand am Aufenthaltsort entsprechende Zeit (= wahre Ortszeit). Diese Zeit müsste in Forschung und Praxis benutzt werden, wenn es um Lebensvorgänge geht. Denn die sind alle seit Urzeiten synchronisiert mit dem Lauf der Sonne, die einen prägenden zirkadianen (über 24 Stunden wiederkehrenden) Rhythmus vorgibt.

Netzwerk von Genen und Proteinen
Das Nobelpreiskomitee hob in seiner Begründung die Bedeutung der Chronobiologie-Forschung für die gegenwärtige und künftige Medizin hervor.[1] Bereits existierende Forschungsergebnisse zeigen: die zirkadiane Uhr regelt neben dem Schlaf-Wach-Rhythmus eine Fülle von Stoffwechselprozessen und zwar in einem Netzwerk von Genen und Proteinen, die sich gegenseitig beeinflussen. Wenn Menschen ständig gegen die innere Uhr leben, gehen sie hohe Gesundheitsrisiken ein. Auf der Liste, die noch nicht abgeschlossen ist, stehen Krebs, neurodegenerative Krankheiten wie Alzheimer, Stoffwechselstörungen und chronische Entzündungen, aber auch Depressionen.

Das erwähnte Zusammenspiel zwischen Genen und Proteinen (Eiweißen) hat direkten Einfluss auf alle Vorgänge im Körper. Deutlich wird das am Beispiel des Hormons Cortisol. Die Chronobiologie hat festgestellt, dass im Laufe von 24 Stunden – ungeachtet äußerer Einflüsse – in den frühen Morgenstunden das im Körper verfügbare Cortisol seinen höchsten Stand erreicht und über den ganzen Tag stark schwankt – und zwar in direkter Abhängigkeit vom zirkadianen Rhythmus. Das muss man beachten, zum Beispiel (aber nicht nur!) wenn der Mensch wegen einer Zuckerkrankheit behandelt wird und womöglich künstliches Insulin bekommen soll. Denn Cortisol ist ein Gegenspieler von Insulin, welches für die Aufnahme von Zucker in die Zellen verantwortlich ist.

Zwangsverordnete Abweichungen
Doch an welche Zeitangabe soll sich der Arzt orientieren, wenn das Medikament in Kanada getestet wurde? An der in Kanada zwangsverordneten Amtszeit? An unserer zwangsverordneten Mitteleuropäischen Zeit? Die weicht in den Sommerzeit-Monaten (April bis Oktober) um bis zu eineinhalb Stunden von der Urheimischen Zeit ab. In den Winterzeit-Monaten um bis zu eine halbe Stunde. Für den Arzt ein Lotteriespiel, das Risiko trägt der Patient.

Cortisol wirkt sehr breitgefächert, nicht nur auf den Kohlenhydrathaushalt, den Fettstoffwechsel und den Proteinumsatz. Will man die Cortisolwerte eines Menschen in eine diagnostische oder therapeutische Beurteilung einbeziehen, genügt eine Messung deshalb nicht, man muss die Cortisol-Schwankung über den ganzen Tag in einem Zeit-Profil erfassen. Es wird deutlich: Ohne das Einbeziehen von Urheimischen Zeitangaben hat ein solches Profil keinen Sinn. Denn zirkadian gesteuerte Körperfunktionen sind synchron zur Urheimischen Zeit, sie scheren sich nicht um Amtszeit oder Normalzeit.

Beispiel Cortisol
Das Cortisol ist eins von vielen Dutzenden möglichen Beispielen. Vor diesem Hintergrund wird klar, was Dr. Pandalis mit seiner Mahnung sagen will: Wer diese Parameter misst und dabei die Amtszeit zugrunde legt und nicht die Urheimische Zeit, macht einen entscheidenden Fehler. Das ist fast so, als ob man mit einem Manometer für Autoreifen den Blutdruck messen wollte.

Was die dauernde Nichtbeachtung der zirkadianen Rhythmen in unser aller Leben mit uns macht, nennen Chronobiologen wie die drei neuen Nobelpreisträger[2] Chronodisruption. Heißt einfach: Wir koppeln uns ab von unserer inneren Uhr. Durch wechselnde Arbeitszeiten, falsch getaktete Ruhe- und Leistungsphasen – oder dadurch, dass wir unseren Tag mit dem Blick auf die Armbanduhr takten. Und die zeigt ja nicht die Urheimische Zeit: Sie zeigt die Amtszeit, die für alle gilt, die in der mitteleuropäischen Zeitzone leben – ohne Rücksicht darauf, wo sie sich befinden. Die Amtszeit (oder amtliche Normalzeit) wurde unter Zwang eingeführt, um den internationalen Handel und den Fernverkehr zu erleichtern.

Der erste Computer
Die alten Griechen übrigens, die über Jahrhunderte erfolgreich Fernhandel trieben, waren sich der Bedeutung der zirkadianen Rhythmik sehr bewußt. Im 1. Jahrhundert v. Chr. wurde nach einem Entwurf des Astronomen Geminos von Rhodos der erste analoge Computer gebaut; Hauptzweck: den genauen Rhythmus von Sonne und Mond über Tage und Jahre hinweg nachzuvollziehen. Im Jahr 1900 fanden Archäologen Teile davon im Wrack eines gesunkenen Schiffes vor Antikythera – heute zu sehen im Archäologischen Nationalmuseum zu Athen.

Bei der Umstellung auf Winterzeit gibt es zusätzlich einen „Zeitruck“, auf den viele sensibel reagieren. Wer für die eigene Zeithygiene die Urheimische Zeit ablesen will, gibt hier seine Postleitzahl ein und klickt auf OK. Er bekommt seine persönliche Urheimische Zeit (= wahre Ortszeit) angezeigt. Unter dem Stichwort Rhythmen des Lebens findet man auch einige Tips für die persönliche Zeithygiene.

Hinweis: Eine Kurzfassung dieser Mitteilung finden Sie hier.


[1] Pressemitteilung des Nobelpreiskomitees, Stockholm 2017

[2] Jeffrey C. Hall Michael, Rosbash und Michael W. Young, Nobelpreis für ihre Erkenntnisse über chronobiologische Rhythmen, die laut Weltgesundheitsorganisation für laufende und künftige Forschungen zur Gesundheit aller Menschen wertvoll sind (Kern der Komitee-Begründung, Stockholm 2017